Ok, das kennt jeder: Manchmal wacht man morgens auf und würde sich beim Blick in den Spiegl am liebsten sofort wieder unter der Bettdecke verkriechen. Wir finden einen Pickel auf der Stirn, der gestern noch nicht da war, unsere Beine sind zu kurz, zu dick, zu dünn. Die Arme auch und vom Bauch mal gar nicht erst anfangen.
Bis zu einem gewissen Punkt ist das auch normal, schließlich sind wir nicht jeden Tag gleich gut drauf und wie wir uns wahrnehmen hängt stark von unserer Stimmung ab (übrigens Mädels, den Jungs geht’s genauso, auch wenn Sie es nicht sagen!).
Zum Problem wird es allerdings, wenn wir uns nur noch über unser Aussehen, genauer gesagt, über unsere Figur definieren. Will heißen: Wenn alles andere unwichtig wird und wir nur noch einem bestimmten Schönheitsideal hinterherjagen. Wenn wir versuchen, auf Biegen und Brechen abzunehmen, dafür Hunger, Schwindelgefühle und schlechte Laune in Kauf nehmen.
Oder wenn wir versuchen, Probleme “weg zu essen” oder umgekehrt “weg zu hungern”. Wenn also das Thema Essen unser ständiger Begleiter wird, sich alles nur noch um Kalorien, Fettgehalt, und die Zahl auf der Waage dreht. Dann wird’s gefährlich.
Deshalb möchten wir Euch hier einen Überblick über die drei Hauptformen von Essstörungen geben.
Man unterscheidet die Essstörungen in drei Hauptformen:

Magersucht (Anorexie, Anorexia nervosa)

Die Magersucht geht mit einem stetigen, absichtlich herbeigeführten Gewichtsverlust einher, selbst wenn die Person schon total dürr ist, empfindet sie sich immer noch als zu dick. Die eigene Körperwahrnehmung ist also völlig aus den Fugen geraten. Die Betroffenen fühlen sich nicht nur zu dick und hässlich, sondern sie nehmen beim Blick in den Spiegel ganz anders wahr, als Ausstenstehende.  Oberstes Gebot für jemandem mit Magersucht ist: Möglichst wenig Kalorien! Und das um jeden Preis. Jede Kalorie wird gezählt, Mahlzeiten ausgelassen. Auf dem Speiseplan stehen nur noch solche Lebensmittel, die wenig Kalorien und Fett haben und auch die werden streng eingeteilt. Besonders schwierig wird es für Magersüchtige, wenn es um gemeinsame Mahlzeiten, Grillfeste oder gemeinsame Kochabende geht: Entweder wird dann im Voraus gehungert, damit man an dem Ereignis teilnehmen kann oder es kommen immer wieder neue Ausreden, warum man schon wieder nicht kann. Und wenn der oder diejenige doch kommt, schiebt er sein Essen von einem Tellerrand zum anderen und unternimmt alles Mögliche, um vom “Nicht-Essen” abzulenken.
Das ist aber nicht alles: Zum Kalorieneinsparen kommt die Steigerung des Kalorienverbrauchs. Es wird übermäßig viel Sport getrieben oder andere Möglichkeiten ausgewählt, um Energie zu verbrauchen. Manche greifen zusätzlich zu Appetitzüglern, Abführmitteln oder entwässernden Medikamenten. Du hast es Dir schon gedacht: Gesteigerte Kalorienverbrauch bei verminderter Kalorienzufuhr kann nicht lange gut gehen. Das geht an die Substanz. Irgendwann sagt der Körper: “Bis hierhin und nicht weiter!” Den Betroffenen ist ständig kalt, die Haut ist fahl, die Haare spröde und das Immunsystem kann irgendwann auch nicht mehr. Und wenn es dem Körper nicht gut geht, kann es der Psyche auch nicht gut gehen. Weil Nährstoffe fehlen, werden notwendige Hormone nicht mehr ausreichend produziert. Bei Mädchen bleibt die Regel aus, dazu gesellt sich Abgeschlagenheit bis hin zu Depressionen.
Das tückische an der Magersucht ist, dass die Betroffenen der festen Überzeugung sind, die Kontrolle über sich und ihren Körper zu haben. Das stimmt aber nicht. Denn wenn der Körper nur noch überleben will, übernimmt er die Kontrolle. Bewusste Entscheidungen sind dann nicht mehr möglich. Das macht es für Magersüchtige auch so schwer, aus dieser Spirale herauszukommen. Ohne eine Therapie geht das schon mal gar nicht. Und auch dann haben die Betroffenen oft ihr ganzes Leben immer wieder mit der Krankheit Magersucht zu kämpfen.

Bulimie (Bulimia nervosa)

Die Bulimie auch Ess-Brechsucht genannt, kennzeichnet sich durch Heißhunger oder Stress bedingte Ess-Attacken. Das heißt, es werden große Mengen und oft sehr kalorienreiche Nahrung auf einmal regelrecht verschlungen. Da die Betroffenen sehr große Angst vor einer Gewichtszunahme haben, wird gleich darauf ein selbst herbeigeführtes Erbrechen initiiert. Dabei ist meistens jedes Mittel recht: Große Mengen Wasser, um die Nahrung im Magen flüssiger zu werden oder Hilfsmittel wie Zahnbürste sind oft mit im Spiel. Denn der Körper will ja die Nahrung eigentlich behalten und dementsprechend schwierig und vor allem schmerzhaft ist das selbst herbeigeführte Erbrechen. Aber jeder Schmerz ist nichts gegen die Scham, den Selbsthass und die Angst zunehmen zu können.
Nicht selten greifen die Betroffenen außerdem zu Abführmitteln, Appetitzüglern oder entwässernde Mitteln. Ebenso wie bei der Magersucht wird auch oft exzessiv Sport getrieben. Auch hier ist die Gefahr vor allem der Nährstoffmangel, der sich auf Körper und Psyche auswirkt.
Aber es kommt noch mehr hinzu: Die Magensäure, die durch das Erbrechen immer wieder in die Speiseröhre und den Mund gelangt, greift diese extrem an. Zähne werden brüchig und verfärben sich, die Speiseröhre und der Magen sind ständig gereizt. Das kann sogar soweit gehen, dass die Betroffenen irgendwann kaum noch Nahrungsmittel vertragen, weil einfach alles schmerzt.
Das schlimme an der Bulimie ist, dass sie so schwer zu erkennen ist: In der Regel sind die Betroffenen normalgewichtig oder sogar übergewichtig und sie sind Meister im Verstecken Ihrer Krankheit. Ebenso wie bei der Magersucht glauben auch sie, dass sie alles unter Kontrolle haben. Deshalb dauert die Krankheit manchmal schon sehr lange, bis sie bemerkt wird oder die Betroffenen sich selber eingestehen, dass sie etwas unternehmen müssen. Auch hier ist eine Therapie unumgänglich.

Binge-Eating-Störung (Binge Eating Disorder)

Die Binge-Eating-Störung ist wie die Bulimie durch wiederholte Ess-Attacken gekennzeichnet. Diese sind ähnlich der Bulimie meist Stress bedingt und treten daher eher nach Situationen auf, in denen der Betroffene unter irgendeiner Art von Druck bzw. Stress stand. Das kann eine Klausur ebenso wie ein Streit sein. Oft treten die Ess-Attacken auch Nachts auf. Die Betroffenen essen und trinken dann große Mengen an süßen und fettreichen Lebensmitteln wie Eistee, Chips und Schokolade. Sie verlieren während dieser Anfälle völlig die Kontrolle über ihr Essverhalten – es wird einfach alles vernichtet. Im Unterschied zur Magersucht und zur Bulimie wird das Gegessene aber nicht erbrochen oder auf irgendeine andere Art und Weise kompensiert, wie z. B. extrem viel Sport treiben, Abführmittel einnehmen oder Hungern. Das hat natürlich eine Gewichtszunahme zur Folge, worunter die Betroffenen sehr leiden. Wie bei den anderen Essstörungen auch, führt das in eine Spirale: Der Betroffene leidet unter dem Gewicht, wird womöglich noch gehänselt und ist so wieder Stresssituationen ausgesetzt, die widerrum zu Ess-Attacken führen. Er schämt sich nach einer solchen Attacke und möchte sich nur noch verkriechen, zieht sich immer mehr zurück, hat kaum Freunde und ist viel allein. Das macht es für Aussenstehende schwer, zu helfen. Wie bei den anderen beiden Formen auch, ist hier professionelle Hilfe gefragt. Deshalb möchten wir Dir an dieser Stelle ein paar Tipps geben, was Du tun kannst, wenn Du bei jemandem aus Deinem Umfeld eine Essstörung bemerkst.

 

Wie erkenne ich eine Essstörung?

Am Anfang erkennen die Betroffenen zwar, dass etwas nicht stimmt, wollen es aber gerade in fortgeschrittenem Stadium der Krankheit nicht wahr haben. Das macht die Situation auch so schwierig. Deshalb ist sehr viel Einfühlungsvermögen gefragt. Bei folgenden Anzeichen solltest Du aufmerksam werden:

* Die- /derjenige isst sehr wenig/gar nichts oder nur noch ganz bestimmte Lebensmittel
* Es dreht sich bei Deiner Freundin/Deinem Freund nur noch ums Essen, Abnehmen, Zunehmen, dick sein und das Thema wird immer wieder auf den Tisch gebracht
* Deine Freundin/ Dein Freund nimmt in kurzer Zeit viel ab- oder zu
* Gemeinsames Essen wird gemieden und es werden immer neue Ausreden erfunden, um gemeinsames Essen zu meiden (kein Hunger, Bauchschmerzen, “habe schon gegessen”)
*Die-/derjenige zieht sich immer mehr zurück, ist lieber alleine und hat keine Lust auf gemeinsame Aktivitäten

Du kannst auch online einen Test durchführen: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gibt Dir erste Hinweise auf eine mögliche Essstörung.

Was tun?

Wenn Du vermutest, dass jemand in Deinem Freundeskreis an einer Essstörung leidet, kannst Du ein paar Dinge tun, um zu helfen:

* Suche das Gespräch: Wähle hierfür einen neutralen Ort, an dem Ihr ungestört und in Ruhe sprechen könnt.  Also besser nicht auf dem Pausenhof, wenn Ihr danach wieder zum Unterricht müsst. Ein Spaziergang in der Natur kann das Gespräch erleichtern – keiner von beiden hat einen “Heimvorteil” und die betroffene Person bekommt das Gefühl, der Situation ausweichen zu können. Außerdem fällt es leichter, das Gespräch wieder auf etwas Lustiges zu lenken, wie z.B. die watschelnden Enten am Wegesrand.
* Ergreife Partei: Für Essgestörte ist das gemeinsame Essen purer Stress. Noch schlimmer ist es, wenn dann noch Sprüche fallen wie “Die isst ja nie was” oder auch einfach nur das ständige Fragen”Wie?? Du willst nichts essen?? Wie bist du denn drauf?”. Niemand möchte ständig auf sein Verhalten angesprochen werden. In solchen Situationen kannst Du eingreifen, indem Du das Gespräch schnell auf ein anderes Thema lenkst, das so gar nichts mit Essen zu tun hat wie etwa Euren ungerechten Mathelehrer oder den neuen Film im Kino.
* Sei da: Vielleicht hat es nichts gebracht, dass Du die Essstörung ansprechen wolltest. Das liegt nicht an Dir, sondern ist ein typisches Verhalten der Betroffenen. Deshalb dränge die Person nicht, sondern lass Sie wissen: Wenn Sie reden möchte, bist Du für sie da. Das reicht manchmal schon.
* Suche Hilfe: Last but not least – mach Dir klar: Du bist weder verantwortlich, noch kannst Du Deiner Freundin/Deinem Freund da heraus helfen. Eine Essstörung ist eine ernsthafte Krankheit und muss behandelt werden. Wende Dich deshalb zum Beispiel an einen Erwachsenen, dem Du vertraust wie z.B. der Vetrauenslehreh. Er weiß, an welche Stellen man sich wenden kann und kann mit Dir gemeinsam helfen.
Wenn Du unsicher bist, an wen Du Dich wenden sollst, kannst Du Dich auch telefonisch oder online an eine Beratung wenden wie z.B. an ANAD – einer Beratungsstelle für jede Form der Essstörung